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10 Euro – Was bei uns zu Lande gerade mal für 1 bis 2 Mittagessen reicht, ermöglicht der Child Destiny Foundation in Kibera, ein Kind einen ganzen Monat lang zu ernähren. Reis und Ugali kosten jeweils wenige Euro pro Kilo – eine kleine Portion davon reicht aber schon, um die Mägen gut zu füllen. Der Speiseplan des Tages- und Therapiezentrums steht dabei immer schon im Vorhinein fest: montags, mittwochs und freitags gibt‘s Ugali, einen Getreidebrei aus Maismehl, ohne welchen sich Kenianer*innen ein Leben kaum vorstellen können. Erwähnt man, dass es in Europa kein Ugali gibt bzw. dieses nur sehr schwer zu finden ist, ist die Reaktion meist ein wortloses Staunen, gefolgt von einem ungläubigen Kopfschütteln und der Aussage „Da würde ich ja sofort verhungern!“. Ugali ist tatsächlich sehr sättigend – eine kleine Faust voll und schon ist der Hunger gestillt. Und das für kaum mehr als 1 Euro pro Kilo. Begleitet wird Ugali entweder von Grünkohl (“Sukuma wiki“), Eiern mit Tomate oder Omena, getrockneten Süßwasserfischen aus dem nahegelegenen Viktoriasee, die reich an Omega 3 Fettsäuren, Vitamin D und B12, sowie auch Mineralstoffen sind. Ein Kilo von diesem Superfood gibt’s für unter 5 Euro. Günstig ist vor allem aber der Grünkohl – ein Kilo kostet umgerechnet ca. 50 Cent. Pro Ei zahlt man stattdessen etwas weniger als 15 Cent. Mittwochs gibt es neben Ugali ab und zu auch Mrenda, ein typisch kenianisches Blattgemüse mit schleimiger Konsistenz, welches reich an Eisen, Vitamin C und Kalzium ist. Ein großes Bündel davon kostet auch kaum mehr als 20 bis 30 Cent. Mit nur 10 Euro kommt man also ganz schön weit.

Am Dienstag und am Donnerstag gibt es stattdessen immer Reis, welchen die zwei Tagesmütter Lydia und Sylvia mit Liebe zubereiten. Dazu wird immer eine unterschiedliche Beilage serviert. Besonders gut sind die Sojaprotein-Stücke “Sossi”, die mit ihrer fleischigen und saftigen Textur echte Protein-Bomben sind. Zubereitet werden sie mit Tomaten und Zwiebeln, welche im Topf auf kleiner Flamme gedünstet werden. Eine 90g Packung gibt es für unter 40 Cent. Dazu gerne auch noch Weißkohl, welcher am Markt für unter 50 Cent pro Kilo gekauft werden kann. Als alternative Beilagen zum Reis dienen noch Mungbohnen oder gelbe Bohnen, die getrocknet kiloweise gekauft werden und einige Tage vor dem Tageszentrum an der Sonne auf Tüchern verteilt liegen, um Käfer und andere sich dazwischen befindende Insekten zu beseitigen. Pro Kilo kosten diese Bohnen kaum mehr als 1 Euro, daraus können aber sehr viele Portionen proteinhaltiger Speisen zubereitet werden.

Aufgrund der starken Inflation, die vor allem durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine vorangetrieben wurde, haben sich die Preise für viele Lebensmittel in kürzester Zeit aber verdreifacht. Speiseöl hat man für knapp über 1 Euro pro Liter kaufen können. Mittlerweise zahlt man hierfür einen Literpreis von über 3 Euro. Das heißt für die Mitarbeiter*innen der Child Destiny Foundation: Es muss an allen Ecken und Enden gespart werden. Speisen mit viel Öl werden nur zu besonderen Anlässen zubereitet. Besondere Gerichte wie Mandazi (eine Form von süßem, frittierten Kardamom-Brot) stellen eine seltene Leckerei dar, auf die sich die Kinder mit strahlenden Augen stürzen und in Windeseile vernaschen. Teuer ist aber auch das Kochen selbst: Dies erfolgt in der Regel mithilfe einer 6kg schweren Gasflasche, die alle 3 Wochen aufgefüllt werden muss. Ende letzten Jahres hat dies noch 5 bis 6 Euro gekostet, mittlerweile zahlt man über 12 Euro.

Redet man mit den Müttern und Familien der Kinder, sind existenzielle Ängste auch keine Seltenheit. Umso größer ist die Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber der Child Destiny Foundation, dass die Kinder zumindest unter der Woche eine fixe warme Mahlzeit bekommen. Anders schaut es bei jenen Kindern mit Behinderung aus, die aufgrund schlechter Verbindungen und einer schwierigen Wohnsituation zu Hause bleiben müssen. Auf die scheinbar unschuldige Frage „Was gibt es heute bei euch zu Hause zum Mittagessen?“ bekommt man als Antwort manchmal lediglich ein Schulterzucken mit der Anmerkung „Wir haben heute kein Geld, um einkaufen zu gehen. Keine Ahnung, was es zum Essen gibt“. Für uns Menschen aus Ländern des globalen Nordens ist das ein teilweise unvorstellbares Szenario. Die Inflation macht natürlich auch vor uns keinen Halt. Man muss die Freizeitaktivitäten zurückschrauben, ab und an auf den guten Afterwork-Drink verzichten und vor dem bevorstehenden Winter bekommt man schon beim Gedanken an die anfallenden Heizkosten kalte Füße. Aber nicht wissen, ob und wann man die nächste warme Mahlzeit in den Händen hält? Mit dieser Angst muss sich in Österreich zum Glück kaum jemand herumschlagen.

Eine hohe Preisvolatilität ist in Kenia aber kein neues Phänomen. In den letzten 62 Jahren hat sich der Verbraucherpreisindex zwischen -0,2% und 46,0% bewegt. Insgesamt sind die Preise seit 1960 um exorbitante 29.000% gestiegen. Das heißt in anderen Worten: Ein Produkt, das 1960 noch 100 Schilling gekostet hat, kostet Anfang 2022 stolze 29 Tausend Schilling. Zum Vergleich: In Österreich beträgt der Preisanstieg im gleichen Zeitraum “lediglich“ 603,5% (Quelle: The World Bank). Die Gründe dieser immerwährend hohen Inflation sind vielfältig. Ein wesentlicher Faktor ist beispielsweise die schwache Währung in Kombination mit der hohen Importquote, wodurch das Land sehr anfällig für externe Schocks ist. Dadurch, dass die kenianische Privatwirtschaft kaum entwickelt ist, müssen viele Produkte von außen zugekauft werden – hauptsächlich mineralische Brennstoffe, Industriemaschinen, Fahrzeuge, Eisen und Stahl, Kunststoffe und Getreide. Zahlen der FAO zeigen beispielsweise, dass Kenia fast zwei Drittel (86 %) seines Weizenbedarfs importiert; den Großteil dabei aus Russland und aus der Ukraine. Kein Wunder also, dass die Lebensmittelpreise in Folge des Ukraine Krieges so rasant gestiegen sind.

Problematisch ist aber auch die Handelsbeziehung zu China, vor allem bezogen auf den stetig wachsenden Schuldenberg, der sich im Zusammenhang mit riesigen, von China finanzierten Infrastrukturprojekten angesammelt hat. Ob die dabei realisierten Projekte, wie beispielsweise der Nairobi Express – eine im Mai 2022 eröffnete Schnellstraße, die das Stadtzentrum mit dem internationalen Flughafen Jomo Kenyatta verbindet – auch den Massen zugutekommt, sei einmal dahingestellt. Die hohe Mautgebühr kann sich zumindest nur ein geringer Anteil der Bevölkerung leisten,

wodurch die Straße auch den Spitznamen „road for the rich“ (übersetzt: „Straße für die Reichen“) erhalten hat. Gebaut wurde sie übrigens auf den Ruinen des Mukuru Kwa Njenga Slums, welcher dafür dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die 40.000 Menschen, die durch den Bau obdachlos wurden, werden von der Regierung aber nur als Kollateralschaden angesehen. Drei Tage Vorlaufzeit haben die Einwohner offenbar bekommen, bevor ihr Haus von einem Bulldozer vernichtet wurde. Viel Kritik erntete das Projekt aber auch, weil es mit knapp 670 Millionen Euro, die teuerste Straße Kenias ist und weit über das ursprünglich festgelegte Budget hinausgegangen ist. Fragt man die Einwohner*innen Nairobis, kommt als Rückmeldung oft nur, dass diese Extraspesen in die Taschen einiger weniger Politiker gewandert sein sollen.

Apropos Korruption und Missmanagement: Auch diese werden als signifikante Treiber der Inflation angesehen, da importierte Waren teilweise überteuert und/oder qualitativ minderwertig sind. Anfang letzten Jahres merkte Präsident Uhuru Kenyatta an, dass täglich 2 Milliarden Schilling (umgerechnet ca. 17 Millionen Euro) wegen der Korruption verloren gingen, was auf das Jahr gerechnet ungefähr 7% der Brutto-Inlands-Produktes entsprechen. Zugespitzt wird das alles von einer sehr lockeren Wettbewerbspolitik, die dazu führt, dass Kartelle Preise künstlich in die Höhe treiben. Und als Folge der Corona-Krise hat die Regierung letztes Jahr auch die Steuer auf alltägliche Haushaltsgüter wie Kochgas, Kraftstoff und Lebensmittel maßgeblich erhöht. Und dazu kommt dann noch die globale Klimaerwärmung, die zu extremen Dürren in weiten Teilen des Landes geführt hat. Der Wegfall inländischer Produkte verursacht eine Verknappung des Angebots, bei gleichbleibender Nachfrage, wodurch die Preise noch weiter in die Höhe getrieben werden. Zudem stellt die Ausbreitung der kommerziellen Fischzucht im Viktoriasee ein weiteres Risiko dar, weil dadurch der Lebensraum heimischer Arten wie Omena langsam schwindet. Als Folge der unkontrollierten Überfischung macht sich die Angst vor einer Erschöpfung des Fischbestandes breit. Und wieder steigen die Preise weiter an. Das alles, während zwei Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 3,2 Euro am Tag leben (Quelle: The World Bank).

Obgleich Kenia von immerwährender Inflation, Unsicherheiten und Tumulten gekennzeichnet war, sind die letzten Entwicklungen überaus allarmierend. Vor allem die Lebensmittelpreise befinden sich zurzeit auf einem Höchststand. Aber auch Treibstoff- und Energiekosten sind höher denn je. Um die Arbeit der Child Destiny Foundation weiter voranzutreiben, ist eines klar: Jeder Cent zählt. Denn auch jede noch so geringe Spende kann etwas bewirken. Es braucht nur 10 Euro, um eines der 24 Kinder mit Behinderung, die wir im Tages- und Therapiezentrum in Kibera betreuen, einen ganzen Monat lang zu ernähren. Und dabei bleibt sogar noch etwas über, um die Transportkosten vom und zum Zentrum zu decken. Nur einen Kinobesuch im Monat weniger und einem Kind in Nairobi wird ein würdevolles und gesundes Leben ermöglicht! Wir, die betroffenen Kinder und deren Familien sind für jeden Euro dankbar.

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