Text by Annemarie Schlief
Die Herausforderungen in der internationalen Freiwilligenarbeit
Für € 1.940,- acht Wochen lang in der Kinderbetreuung in Kapstadt arbeiten oder sich vielleicht doch für € 5.200,- 12 Wochen lang um Elefanten in Namibia kümmern? Den eigenen Horizont erweitern, Land und Leute von einer anderen Seite kennenlernen sowie einen positiven Fußabdruck durch sein freiwilliges Engagement hinterlassen – das sind oft die Beweggründe für teure Volontariatseinsätze im globalen Süden. Doch was steckt wirklich dahinter? Wie groß ist der Impact und wie viel profitieren die Menschen vor Ort?
Trotz guter Absichten gilt es, die bestehenden Einsatzmöglichkeiten von Voluntär:innen zu evaluieren und kritisch zu hinterfragen. Hiervon möchten wir uns als Child Destiny Foundation auch nicht ausnehmen. Gerade der Einsatz in Entwicklungsländern sollte sorgfältig geplant sein und kulturelles Verständnis nach sich ziehen, um einen langfristigen und nachhaltigen Effekt zu erzielen. Kurzzeitige Aufenthalte kratzen oftmals nur an der Oberfläche und orientieren sich nicht an den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung.
Unzureichende Qualifikation und Vorbereitung
Die Arbeit mit Kindern, insbesondere mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung, erfordert spezifische Ausbildungen, Erfahrung und Sensibilität. Kaum ein Anbieter der teuren Volontariatseinsätze überprüft die Qualifikationen der Freiwilligen gründlich, sodass sich diese sinnvoll in das Projekt vor Ort einbringen können. Manchmal gibt es zwar Vorbereitungskurse, jedoch kosten diese nochmal extra, sind recht spärlich ausgestaltet, nicht verpflichtend und ersetzen nicht die langjährige berufliche Erfahrung. Das führt dazu, dass viele Volontär:innen zwar gute Absichten haben, aber nicht ausreichend qualifiziert sind, um mit Kindern in einem fremden kulturellen Kontext zu arbeiten.
Kurzfristige Einsätze
Durchforstet man die Angebote diverser namhafter Anbieter von Freiwilligeneinsätzen findet man selten ein Angebot, das über die Dauer von 12 Wochen hinausgeht. Oftmals kann man auch schon ab einer Verfügbarkeit von zwei Wochen am Programm teilnehmen. Vor allem bei der Arbeit mit Kindern ist dieser kurze Zeitraum ein großer Problemfaktor, weil sie eine instabile Umgebung für die Kinder schaffen, in der Bezugspersonen im Wochenrhythmus kommen und gehen. Kontinuität und Verlässlichkeit sind jedoch entscheidend für das Wohlergehen von Kindern, insbesondere in Bezug auf emotionale Bindungen. Kurzzeitige Beziehungen zu wechselnden Freiwilligen können bei Kindern zu Verlustängsten und Vertrauensproblemen führen.
Ausbeutungsrisiken
Im schlimmsten Fall heizt dieser sogenannte Freiwilligentourismus die Ausbeutung vor Ort weiter an.
„Durch das zunehmende Interesse an der Mitarbeit in Waisenhäusern steigt auch die „Nachfrage“ nach Heimkindern. Skrupellose Mittelsmänner überreden Eltern, ihre Kinder in Heime zu geben und versprechen gute Bildung und ein besseres Leben, doch sie wollen nur Geld verdienen, wie Studien etwa von Unicef belegen.“ – Brot für die Welt
Außerdem sind die meisten Entwicklungsländer von hohen Arbeitslosigkeitsraten geplagt – kostenlos arbeitende Voluntär:innen erschweren hier oftmals zusätzlich die Situation am Arbeitsmarkt.
Mangelnde Nachhaltigkeit und Entwicklung
Kurzfristige Freiwilligeneinsätze zahlen oftmals nicht auf das langfristige Ziel der nachhaltigen Entwicklung ein. Organisationen im globalen Süden erhalten oft finanzielle Mittel von der vermittelnden Agentur und erhoffen sich zusätzliche Spenden der Volontär:innen. Diese wiederum fliegen jedoch im Glauben und mit der Hoffnung aktiv im Entwicklungsland zu einer Verbesserung beizutragen. Ganz provokativ ausgedrückt könnte man sagen, dass eine reine Geldspende direkt an die Organisation im globalen Süden weit mehr bewirkt als ein zweiwöchentlicher Freiwilligeneinsatz.
Anstatt in ständiger Abhängigkeit von externer Hilfe zu leben, sollte versucht werden die Menschen vor Ort zu befähigen und lokale Kapazitäten stärken.
Viele der angebotenen Programme können aufgrund der oben genannten Faktoren kritisch betrachtet werden. Auf der anderen Seite soll das aber auch nicht bedeuten, dass Freiwilligenarbeit per se „schlecht“ oder „schadhaft“ ist – ganz im Gegenteil! Voluntärseinsätze können unter Umständen eine bereichernde Möglichkeit für alle Beteiligten sein. Verantwortungsbewusstsein, Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien und kritisches Hinterfragen der eigenen Beweggründe sind hier jedoch absolut wichtig.
Du planst einen Volontariatseinsatz?
Wichtig ist es dir im ersten Schritt zu überlegen welche (beruflichen) Qualifikationen du selbst mitbringst, die du dann vor Ort weitergeben kannst. In einem zweiten Schritt kannst du dann überprüfen, ob deine angebotenen Qualifikationen einen realen Bedarf in der Organisation decken. Dadurch kann dein Beitrag eine echte Stütze für nachhaltige Entwicklung sein. Zudem solltest du einen genauen Blick auf die Organisation werfen – es lohnt sich mit kleinen, lokalen Organisationen zusammenzuarbeiten oder einzelne kleinere Projekte zu unterstützen, anstatt das teure Angebot von Reiseveranstaltern in Anspruch zu nehmen.
Der Ansatz der Child Destiny Foundation
Wir haben uns intensiv mit dem Thema Freiwilligeneinsatz vor Ort auseinandergesetzt und Richtlinien erstellt, anhand derer wir Volontär:innen für die Mitarbeit in Kenia willkommen heißen. Aufgrund der oben genannten Punkte ist es uns wichtig, zunächst mit unseren Manager:innen vor Ort abzuklären, welche Volontär:innen eine Bereicherung im Team vor Ort darstellen würden. Derzeit suchen wir beispielsweise Logopäd:innen zur Schulung der Mitarbeiter:innen bezüglich Schluckbeschwerden der Kinder mit Behinderung und Orthopädiemechaniker:innen zur Anfertigung von Schienen und Hilfsmittel.
Anschließend finden Gespräche mit den Vereinsobfrauen Manuela und Claudia statt, um die Erwartungen der Volontär:in abzuklären, Aufgaben zu besprechen und die Rollenerwartung zu definieren. Erst dann beginnen die konkreten Vorbereitungen bezüglich Reisedauer, Flug und Unterkunft, wobei wir selbstverständlich gern unterstützend zur Seite stehen.
https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/voluntourismus/
https://issuu.com/landsuedtirol-provinciabolzano/docs/1590498602_z.b._nr._3/s/10578165
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